Gewöhnliche Differenzialgleichungen

Eine Differenzialgleichung ist eine Gleichung, in der Differenzialquotienten einer Funktion (oder mehrerer Funktionen) auftreten. Gesucht sind die Funktionen, die diese Gleichung (und gegebenenfalls mehrere Zusatzbedingungen) erfüllen. Gewöhnliche Differenzialgleichungen enthalten ausschließlich gesuchte Funktionen, die nur von einer unabhängigen Variablen abhängig sind (und damit gibt es auch nur Ableitungen nach dieser Variablen). Die höchste in der Differenzialgleichung auftretende Ableitung der gesuchten Funktion bestimmt die Ordnung der Differenzialgleichung.

Elastisch gebetteter Träger

Beispiel: Die Differenzialgleichung des elastisch gebetteten Trägers

Differenzialgleichung der Durchbiegung des elastisch gebetteten Trägers
ist eine Differenzialgleichung 4. Ordnung. Darin sind EI(z), k(z) und q(z) gegebene Funktionen. Gesucht ist die Funktion v(z) (Durchbiegung des Trägers), die diese Differenzialgleichung erfüllt. Man findet ein Beispiel auf der Seite "Elastisch gebetteter Träger".

Lineare und nichtlineare Differenzialgleichungen

Eine "Lineare Differenzialgleichung" enthält die gesuchte Funktion und deren Ableitungen nur in der ersten Potenz. Es dürfen keine Produkte von gesuchter Funktion und ihren Ableitungen auftreten. Die gesuchte Funktion darf auch nicht in Argumenten von Winkelfunktionen, Logarithmen usw. erscheinen. Die allgemeine lineare Differenzialgleichung n-ter Ordnung kann in der Form

Lineare Differenzialgleichung
aufgeschrieben werden.

Beispiel: Die oben angegebene Differenzialgleichung des elastisch gebetteten Trägers ist eine lineare Differenzialgleichung.

Dünner Stab als Pendel

"Nichtlineare Differenzialgleichungen" sind alle Differenzialgleichungen, die nicht nach der oben gegebenen Definition als "linear" klassifiziert werden können.

Beispiel: Die Pendelbewegung eines dünnen Stabs wird durch die nichtlineare Differenzialgleichung

Differenzialgleichung für den pendelnden Stab
beschrieben (g ist die Erdbeschleunigung, l die Stablänge). Punkte über der Variablen bedeuten: Ableitung nach der Zeit t. Gesucht ist der Winkel φ(t). Selbst diese einfach aussehende Differenzialgleichung ist nicht geschlossen lösbar. Man findet ihre numerische Lösung auf der Seite "Schwingung (dünner Stab mit großen Ausschlägen)".

Allgemeine und spezielle Lösungen

Die "Allgemeine Lösung" einer Differenzialgleichung erfüllt die Differenzialgleichung und enthält bei einer Differenzialgleichung n-ter Ordnung n freie "Integrationskonstanten", zu deuten als eine Kurvenschar. Die Integrationskonstanten können durch Zusatzbedingungen (z. B. Randbedingungen, Übergangsbedingungen, Anfangsbedingungen) bestimmt werden, wodurch für diesen speziellen Fall die "Spezielle Lösung" entsteht.

Feder-Masse-System (freier ungedämpfter Schwinger)

Beispiel: Die reibungsfreie Bewegung einer Masse m, die durch eine Feder (Federzahl c) gefesselt ist, kann durch die lineare Differenzialgleichung zweiter Ordnung

Differenzialgleichung der freien ungedämpften Schwingung
beschrieben werden. Diese hat die allgemeine Lösung
Allgemeine Lösung
mit den beiden Integrationskonstanten A und B (man überzeugt sich zum Beispiel durch Einsetzen, dass die Differenzialgleichung erfüllt ist). Der spezielle Fall soll so definiert werden: Die Masse m wird zum Zeitpunkt t=0 um x0 ausgelenkt und ohne Anfangsgeschwindigkeit freigelassen. Dann können zwei Anfangsbedingungen formuliert werden:
Aus den Anfangsbedingungen werden die Konstanten bestimmt
Aus diesen beiden Bedingungen errechnet man durch Einsetzen in die allgemeine Lösung die Integrationskonstanten A und B, so dass die spezielle Lösung (Bewegungsgesetz) lautet:
Bewegunggesetz der freien ungedämpften Schwingung

Differenzialgleichungssysteme

Ein "Differenzialgleichungssystem" besteht aus m Differenzialgleichungen, in denen m gesuchte Funktionen enthalten sind.

Rotationssymmetrische Scheibe

Beispiel 1: Für die Berechnung der Radialspannung σr und der Tangentialspannung σt in einer rotationssymmetrischen Scheibe wird im Kapitel "Rotationssymmetrische Modelle" folgendes Differenzialgleichungssystem hergeleitet:

Differenzialgleichungssystem für die Spannungsberechnung einer rotationssymmetrischen Scheibe
Darin sind t die Scheibendicke, ν eine Materialkonstante (Querkontraktionszahl) und f eine radial gerichtete Volumenlast (z. B. die Fliehkraft in der rotierenden Scheibe). Dies ist ein Differenzialgleichungssystem erster Ordnung (die höchsten Ableitungen sind die ersten Ableitungen von σr und σt) mit zwei linearen Differenzialgleichungen. Nur für spezielle Funktionen t(r) findet man eine allgemeine Lösung. Für den Spezialfall konstanter Scheibendicke t kann das System in eine geschlossen lösbare Differenzialgleichung überführt werden. Man findet ihre allgemeine Lösung auf der Seite "Eulersche Differenzialgleichungen".

Laufkatze mit pendelnder Last

Beispiel 2: Die Bewegung einer Laufkatze mit anhängender Last kann durch die beiden zeitabhängigen Funktionen x(t) und φ(t) beschrieben werden. Die Differenzialgleichungen werden im Kapitel "Prinzipien der Mechanik" hergeleitet:

Bewegungs-Differenzialgleichungen für die Laufkatze mit pendelnder Last
Dies ist ein Differenzialgleichungssystem zweiter Ordnung (die höchsten Ableitungen sind die zweiten Ableitungen von x(t) und φ(t) nach der Zeit) mit zwei nichtlinearen Differenzialgleichungen. Es kann nur numerisch gelöst werden, die Lösung findet man hier.

Lösbarkeit

Analytische Lösungen für Differenzialgleichungen oder Differenzialgleichungssysteme zu finden, ist nur in Ausnahmefällen möglich, das heißt: In den meisten Fällen kann man die allgemeine Lösung nicht als Funktion darstellen, die beim Einsetzen die Differenzialgleichungen erfüllen. Für die typischen Differenzialgleichungen der Technischen Mechanik gilt: