Krümmungskreise an eine Bahnkurve
Der Krümmungskreis schmiegt sich an eine Kurve in der Umgebung eines Berührungspunktes optimal an. Die nebenstehende Abbildung zeigt für drei Punkte der (rot gezeichneten) Kurve die (blau, schwarz bzw. grün gezeichneten) Krümmungskreise (die Kurve ist die Bahnkurve eines Punktes einer schwingenden Kurbelschleife, siehe die Animation weiter unten). In der Regel gibt es für jeden Punkt einer Kurve einen anderen Krümmungskreis mit einem eigenen Krümmungsmittelpunkt und einem eigenen Krümmungsradius.
Wozu braucht man das?
In der Technischen Mechanik spielt der Krümmungsradius in verschiedenen Bereichen eine wichtige Rolle, zum Beispiel:
Die oben verwendete Formulierung des "optimalen Anschmiegens" lässt sich auf unterschiedliche Weise in mathematisch verwertbare Definitionen fassen. Die erste Definition lehnt sich an die Definition der Tangente an eine Kurve an: Zwei Punkte definieren eindeutig eine Gerade, die man als Sekante bezeichnet, wenn die beiden Punkte auf einer Kurve liegen. Nähern sich diese beiden Punkte nun immer weiter an, bis sie schließlich im Grenzübergang zusammenfallen, dann wird die Sekante zur Tangente an die Kurve in diesem Punkt. Analog dazu wird definiert:
Völlig gleichwertig mit dieser ist die folgende Definition:
Nachfolgend wird die Definition 2 benutzt, um die benötigten Formeln herzuleiten.
Gegeben sei eine Funktion in Parameterdarstellung
Dies ist keine Einschränkung der Allgemeinheit, weil jede Funktion y=f(x) auch als x=t ,  y=f(t) dargestellt werden kann. Gesucht wird ein Kreis (auch dafür wird die Parameterdarstellung verwendet)
der mit dieser Funktion in einem durch die Koordinaten x und y gegebenen Punkt auch in den beiden Ableitungen y' und y'' übereinstimmt. Für den Kreis werden diese Ableitungen gebildet:
Aus
kann t eliminert werden, und man erhält eine Formel für ρ:
Auf entsprechendem Wege erhält man aus
eine Formel für die Parameterdarstellung der Funktion. Weil ein Radius natürlich einen positiven Wert haben muss, wird für die zweite Ableitung, die positiv oder negativ sein kann, der Absolutwert genommen, und es ergeben sich folgende ...
Die oben in allgemeiner Form aufgeschriebene Funktion des Krümmungskreises wird nach den Koordinaten des Mittelpunktes umgestellt:
Um das Vorzeichenproblem mit der Wurzel zu vermeiden, wird auf die oben erreichten Zwischenergebnisse
zurückgegriffen, mit denen man zum Beispiel folgende Formeln erhält:
Für die in Parameterdarstellung gegebene Funktion errechnet man auf entsprechendem Wege analoge Formeln, schließlich ergeben sich die
Man berechne für die Funktion y = ax2 allgemein den Krümmungsradius ρ(x) und die Koordinaten der Krümmungsmittelpunkte xM(x) und yM(x). Für a = 0,5 sind die Krümmungsradien, die zu den Punkten (0;0) bzw. (1;0,5) gehören, und die Parameterdarstellung der Evolute anzugeben.
Funktion (rot gezeichnet) mit zwei Krümmungskreisen und Evolute
Die Funktion und ihre ersten beiden Ableitungen
werden in die oben angegebenen Formeln eingesetzt:
Die berechneten Formeln für die Koordinaten der Krümmungsmittelpunkte xM(x) und yM(x) können als Parameterdarstellung (Parameter ist x) der Evolute angesehen werden. Für a = 0,5 erhält man also mit
die Parameterdarstellung der Evolute. In der oben zu sehenden Graphik sind die Funktion y = x2/2 rot, die beiden speziellen Krümmungskreise blau bzw. schwarz und die Evolute grün gezeichnet.
Der nebenstehend skizzierte Mechanismus ist eine so genannte "Schwingende Kurbelschleife". Die Kurbel dreht sich mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω0.
Gegeben: R ; ω0 ; a/R = 1,5 ; l/R = 2 .
Die Bestimmung der Bahnkurve ist als Fragestellung einer Aufgabe aus dem Kapitel "Kinematik des Punktes" gefordert. Das Ergebnis findet man im Internet im Bereich "Lösungen der Übungsaufgaben". Die Kurve kann sinnvoll nur in Parameterdarstellung angegeben werden. Mit einem kartesischen Koordinatensystem mit dem Ursprung im Punkt C erhält man, wenn sich der Punkt A der Kurbel zum Zeitpunkt t = 0 im Punkt D befindet:
Das Bilden der beiden ersten Ableitungen dieser Funktionen, die man für das Aufschreiben von Krümmungsradius und Krümmungsmittelpunkt benötigt, ist recht mühsam (aber durchaus auch noch "von Hand" beherrschbar). Man ist gut beraten, sich vom Computer unterstützen zu lassen.
Die (tangential gerichtete) Bahngeschwindigket errechnet man aus den Geschwindigkeitskomponenten, und die Tangentialbeschleunigung ist die Ableitung der Bahngeschwindigkeit nach der Zeit:
Für die (senkrecht zur Tangente an die Bahnkurve gerichtete) Normalbeschleunigung
wird zusätzlich der Krümmungsradius benötigt, der nach den oben angegebenen Formeln berechnet wird. Nebenstehend sieht man die graphische Darstellung der Funktionen. Man erkennt, dass die (rot gezeichnete) Normalbeschleunigung größere Werte annimmt als die Tangentialbeschleunigung. Ihr Maximalwert liegt hier nicht im Bereich besonders kleiner Krümmungsradien, weil das Quadrat der Geschwindigkeit im Zähler des Bruchs größeren Einfluss hat. Typisch ist, dass die Tangentialbeschleunigung positive und negative Werte annehmen kann, die Normalbeschleunigung wird dagegen immer positiv angegeben, weil sie stets zum Krümmungsmittelpunkt gerichtet ist.
Nachfolgend sieht man in der Animation die rot dargestellte Bahnkurve des Punktes B und die sich ständig ändernden (blau gezeichneten) Krümmungskreise: