Beispiel: Erzwungene gedämpfte Schwingungen      (Seite als PDF)
Erzwungene gedämpfte Schwingung

Aufgabe

Eine Masse m ist wie skizzert durch eine Feder (Federzahl c) gefesselt. Sie wird durch die zeitlich veränderliche Kraft F0 cos Ωt zu Schwingungen angeregt (diese so genannte harmonische Erregung ist der praktisch wichtigste Fall, verursucht zum Beispiel durch eine Maschine mit einer mit der Winkelgeschwindigkeit Ω umlaufenden Unwucht).

Die Bewegung wird vertikal geführt und geschwindigkeitsproportional gedämpft (Dämpfer mit der Dämpfungskonstanten k). Sie wird durch eine lineare inhomogene Differenzialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten beschrieben, deren allgemeine Lösung berechnet werden soll.

Die Schnittskizze zeigt die vier angreifenden Kräfte (es wurde der in der Technischen Mechanik übliche "Trick" genutzt, das Eigengewicht der Masse mg und die dadurch hervorgerufene Federvorspannung wegzulassen, weil die beiden Kräfte während des gesamten Bewegungsvorgangs für sich ein Gleichgewichtssystem bilden, x = 0 ist also die statische Ruhelage des Systems). Aus dem Gleichgewicht der Kräfte resultiert die Differenzialgleichung

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Schwingungs-Differenzialgleichung
Sie wird noch unter Verwendung der in der Technischen Mechanik üblichen Symbole ω (Eigenkreisfrequenz der freien ungedämpften Schwingung) und D (so genanntes Lehrsches Dämpfungsmaß) entsprechend
Eigenkreisfrequenz der freien ungedämpften Schwingung, Lehrsches Dämpfungsmaß
umgeschrieben. Sie hat dann folgendes Aussehen:
Schwingungs-Differenzialgleichung
Es ist eine inhomogene lineare Differenzialgleichungen mit konstanten Koeffizienten. Ihre allgemeine Lösung kann als Summe der allgemeinen Lösung xhom der zugehörigen homogenen Differenzialgleichung und einer beliebigen Partikulärlösung xpart der inhomogenen Differenzialgleichung zusammengesetzt werden:
Allgemeine Lösung als Summe aus Lösung der homogenen Differenzialgleichung und einer Partikulärlösung

Die beiden Lösungsanteile werden nachfolgend berechnet.

Lösung der homogenen Differenzialgleichung

Die homogene Differenzialgleichung

Die homogene Differenzialgleichung beschreibt die freien gedämpften Schwingungen der Masse
beschreibt die freien gedämpften Schwingungen der Masse m (Masse wird einmal ausgelenkt bzw. angestoßen und dann sich selbst überlassen).

Die allgemeine Lösung dieser Differenzialgleichung findet man mit dem Exponentialansatz x = e λt, der eine charakteristische Gleichung liefert, deren Lösungen reell oder komplex sein können:

Charakteristische Gleichung, Lösungen
Folgende drei Fälle müssen unterschieden werden:

Aus diesem Ergebnis resultiert eine wichtige Erkenntnis:

Ein (geschwindigkeitsproportional) gedämpftes freies Schwingungssystem (keine Erregerkraft, einmal angeregt und sich selbst überlassen) schwingt mit konstanter Eigenfrequenz (bei abnehmenden Amplituden). Die Eigenkreisfrequenz der gedämpften Schwingung

Eigenkreisfrequenz der gedämpften Schwingung
ist kleiner als die Eigenkreisfrequenz ω des ungedämpften Schwingers.

Der Ingenieur registriert eine weitere wichtige Tatsache: Weil bei den weitaus meisten praktischen Schwingungsproblemen nur die Eigenkreisfrequenz von Interesse ist, braucht man die Differenzialgleichung gar nicht zu lösen. Wenn man die Parameter des Problems kennt, ist die Eigenkreisfrequenz bekannt.

Die Auswertung der Lösung der homogenen Differenzialgleichung, die die freie gedämpfte Schwingung beschreibt, findet man hier mit dem Programm Maple und dem Tischrechner TI und hier mit dem Programm Matlab.

Partikulärlösung für die inhomogene Differenzialgleichung

Die Störfunktion (Funktion auf der rechten Seite) der inhomogenen Differenzialgleichung

Schwingungs-Differenzialgleichung
gehört zu den typischen Fällen, für die hier geeignete Ansatzfunktionen für die Ermittlung einer Partikulärlösung bereitgestellt werden. Wenn man den Ansatz
Ansatz für Partikulärlösung
in die inhomogene Differenzialgleichung einsetzt, erhält man nach kurzer Rechnung:
Ansatz für Partikulärlösung wurde in die homogene Differenzialgleichung eingesetzt
Diese Gleichung kann für beliebiges t nur erfüllt sein, wenn jede Klammer auf der linken Seite einzeln verschwindet. Nullsetzen der zweiten Klammer liefert:
Phasenverschiebung
Das Nullsetzen der ersten Klammer führt nach einigen elementar-mathematischen Umformungen (sin- und cos-Funktionen werden durch tan ersetzt) auf:
Amplitude der stationären Schwingung
Damit ist die Partikulärlösung der inhomogenen Differenzialgleichung bekannt:
Partikulärlösung
mit dem so genannten
Abstimmungsverhältnis
und der
Phasenverschiebung

Lösung der inhomogenen Differenzialgleichung

Die Lösung der inhomogenen Differenzialgleichung

Schwingungs-Differenzialgleichung
kann nun als Summe der oben berechneten allgemeinen Lösung der homogenen Differenzialgleichung und der für die inhomogene Differenzialgleichung gefundenen Partikulärlösung aufgeschrieben werden, zum Beispiel so:
Lösung der Differenzialgleichung für die harmonisch erregte gedämpfte Schwingung
Die allgemeine Lösung enthält die beiden Integrationkonstanten A1 und A2, die aus Anfangbedingungen berechnet werden können.

Lösung für spezielle Parameter, Analyse der Lösungsanteile

Erzwungene gedämpfte Schwingung

Unter der willkürlichen Annahme, dass die Bewegung zum Zeitpunkt t = 0 aus der Ruhe heraus beginnt, soll die Funktion x(t) für die beiden folgenden Sätze von Parametern ausgewertet werden. Diese sind so gewählt, dass die wichtigsten Erkenntnisse über den Einfluss der beiden Lösungsanteile gewonnen werden können:

  1. m = 150 kg ; F0 = 0,001 N ; Ω = 10 s-1 ; c = 12·105 N/m ; k = 250 kg/s ;
  2. m = 150 kg ; F0 = 0,001 N ; Ω = 10 s-1 ; c = 3 N/m ; k = 25 kg/s .

Für die Auswertung der Anfangsbedingungen wird neben der oben angegebenen Funktion x(t) auch deren erste Ableitung nach der Zeit benötigt:

Bewegungsgesetz und erste Ableitung
Damit können die Anfangsbedingungen formuliert werden:
Anfangsbedingungen
Daraus berechnet man die Integrationskonstanten:
Integrationskonstanten
Nun kann das Bewegungsgesetz ausgewertet werden. Das nachfolgend gelistete Matlabscript (mit den Parametern des Falls a) berechnet gesondert die Teillösungen xhom(t) und xpart(t), die danach zur Gesamtlösung x(t) addiert werden:

% Harmonisch erregte Schwingung mit Daempfung

m = 150 ; F0 = 0.001 ; c = 12e5 ; k = 0.25e3 ; Omega = 10 ; tend =  6 ; xmax = 2e-9 ;

t      = 0 : tend/1000 : tend ;         % Auswertung fuer 1000 Zeitschritte

omega  = sqrt(c/m) ;
eta    = Omega/omega ;
D      = k/(2*sqrt(m*c)) ;

phi    = atan((2*D*eta)/(1-eta^2)) ;
if (phi < 0) phi = phi+pi ; end         % phi muss im Bereich 0 .. pi liegen

omegaD = omega*sqrt(1-D^2) ;
A      = F0/(c*sqrt((1-eta^2)^2+4*D^2*eta^2)) ;
A1     = - A*cos(phi) ;
A2     = - A*(D*omega*cos(phi)+Omega*sin(phi))/omegaD

xhom   = exp(-D*omega*t).*(A1*cos(omegaD*t)+A2*sin(omegaD*t)) ;
xpart  = A*cos(Omega*t-phi) ;
x      = xhom + xpart ;

str    = ['x(t) für \omega = ' , num2str(omega) , ' und \Omega = ' , num2str(Omega)] ; 
subplot(2,1,1) ; plot (t , x) , grid on , title  (str) , axis([0 tend -xmax xmax])
subplot(2,1,2) ; plot (t , xpart , t , xhom , 'r') , grid on , 
 title  ('Blau: x_{part}(t) = x_{st}(t) ,  Rot: x_{hom}(t)') , axis([0 tend -xmax xmax])

Für den im Script realisierten Fall a mit einer relativ harten Feder genügt die Verfolgung des Bewegungsablaufs über nur 6 Sekunden, um die wesentlichen Erkenntnisse zu gewinnen. Nachfolgend ist im oberen Graphikfenster das Bewegungsgesetz x(t) zu sehen, darunter die beiden Anteile xhom(t) und xpart(t). Man sieht sehr schön, wie die (rot gezeichnete) Eigenschwingung infolge der Dämpfung abklingt, so dass sich sehr bald eine Schwingung einstellt, die ausschließlich durch die Partikulärlösung der Differenzialgleichung beschrieben wird:

Eigenkreisfrequenz ist größer als die Erregerkreisfrequenz

Der oben zu sehende Schwingungsverlauf ist typisch für den Fall, dass die Eigenkreisfrequenz des freien (ungedämpften) Schwingers größer ist als die Erregerkreisfrequenz (ω > Ω): Die kurzwelligen Eigenschwingungen überlagern anfangs die langwelligeren erzwungenen Schwingungen, klingen infolge der Dämpfung aber ab, so dass die Kurve immer glatter wird.

Auch wenn sich für den entgegengesetzten Fall (ω < Ω) der Kurvenverlauf deutlich anders darstellt, ist der Effekt gleich: Die erzwungenen Schwingungen bewegen sich anfangs kurzwellig um die langwelligen Eigenschwingungen. Letztere klingen ab, und es verbleibt die durch die Partikulärlösung beschriebene erzwungene Schwingung. Die Ergebnisse der Berechnung mit den Parametern des Falls b zeigen dies, wenn man den Bewegungsverlauf etwa 60 Sekunden lang verfolgt:

Eigenkreisfrequenz ist kleiner als die Erregerkreisfrequenz

Fundamentschwingungen

Weiteres Beispiel

Das nebenstehend skizzierte Schwingungsproblem (die Fundamentschwingungen sollen getilgt werden) wird für eine Teilaufgabe auf der Basis der hier entwickelten theoretischen Grundlagen gelöst.

Zusammenfassung der Erkenntnisse

Die mit der Lösung der Schwingungs-Differenzialgleichung theoretisch gefundenen Erkenntnisse lassen sich mit den am Beispiel demonstrierten Fällen zu folgenden Aussagen zusammenfassen:

Stationäre Lösung: Nach einer bestimmten Einschwingzeit schwingt der durch die harmonisch veränderliche Kraft F0 cos Ωt erregte gedämpfte Schwinger nach einem Bewegungsgesetz, das nur noch durch die Partikulärlösung der Bewegungs-Differenzialgleichung bestimmt wird. Dieses heißt deshalb stationäre Lösung:

Stationäre Lösung

Die Schwingung im stationären Zustand erfolgt mit der Erregerkreisfrequenz Ω. Die Amplitude der stationären Schwingung ist konstant.

Die Größe der Amplitude (Ausdruck vor der cos-Funktion) wird wesentlich vom Abstimmungsverhältnis η (Quotient von Erregerkreisfrequenz Ω und Eigenkreisfrequenz ω des ungedämpften Schwingers) bestimmt.

Vergrößerungsfunktion

Zum Schluss gibt es noch zwei angenehme Informationen für Ingenieure:

  • Resonanz muss entweder vermieden werden (typischer Fall) oder ist erwünscht (Beispiel: Schwingsieb). Beides ist ohne Rechnung zu beurteilen, wenn man die Parameter kennt: Man muss nur die Erregerkreisfrequenz mit der Eigenkreisfrequenz des ungedämpften Schwingers vergleichen, die man bei bekannten Werten für c und m ohne große Rechnung sofort aufschreiben kann.
  • Für Arbeitsmaschinen im Dauerbetrieb ist die Arbeit im überkritischen Bereich zu bevorzugen (nur beim Hochfahren und beim Abbremsen muss der kritische Bereich möglichst kurzzeitig durchlaufen werden). Wo dieser Bereich liegt, ist aber auch mit der Kenntnis der beiden Kreisfrequenzen Ω und ω bekannt. Mit der Vergrößerungsfunktion kann man dann gegebenenfalls noch die Größen der Amplituden für die aktuelle Erregerkreisfrequenz Ω bestimmen.

Die gute Nachricht lautet also: Nachdem man einmal die hier demonstrierte Lösung der Schwingungs-Differenzialgleichung nachempfunden hat (das allerdings ist schon empfehlenswert), braucht man in der Praxis nur die Ergebnisse dieser Rechnung an das aktuelle Problem anzupassen.

Download


Das oben zu sehende Matlab-Script steht als ErzwSchw.m zum Download zur Verfügung.