Differenzengleichungen
Auf der Seite
"Rotationssymmetrische Kreis- und Kreisringplatten"
findet man die Differenzialgleichung, die die Verformung solcher Platten
beschreibt:
In die so genannte
gehen die Plattendicke
t und
die elastischen Eigenschaften des Materials ein
(Elastizitätsmodul
E und Querkontraktionszahl
ν). Als Belastungen sind Flächenlasten
p(
r)
(Dimension z. B.: N/mm
2),
gegebenenfalls auch konstante Linienlasten auf konzentrischen
Kreisen zugelassen.
In der Regel sind zwei Randbedingungen am Innen- und zwei
Randbedingungen am Außenrand zu formulieren. Dies können
(wie bei der Verformungsberechnung des Biegeträgers) Aussagen
über die Absenkung w und deren 1. Ableitung
nach r und Aussagen über das Biegemoment
mr und die Querkraft
qr
sein. Für diese beiden Schnittgrößen gelten die Formeln:
Mit den auf der Seite "Differenzenverfahren" zusammengestellten
zentralen Differenzenformeln
können die Differenzialgleichung
und die für die Formulierung der Randbedingungen erforderlichen
Differenzialbeziehungen als Differenzengleichungen
formuliert werden. Der Bereich
ri ≤ r ≤ ra
wird in nA Abschnitte der Breite
h = (ra− ri)/nA
unterteilt. Die Abschnittsgrenzen (nA+1
Punkte) sind die "Stützstellen" für die Differenzengleichung,
die die Differenzialgleichung ersetzt. Für einen beliebigen
Punkt i gilt:
Der Radius
ri
bis zum Punkt
i wurde mit einem Querstrich versehen,
um Verwechselungen mit dem Innenradius
ri
zu vermeiden. Beim Aufschreiben
der Differenzengleichung für alle
nA+1
Punkte gehen wegen der
approximierten 4. Ableitung an beiden Rändern 2 Außenpunkte
in die Rechnung ein, so dass insgesamt
n =
nA+5 Unbekannte
wi in die Rechnung eingehen,
für die
nA+1 Differenzengleichungen
und 4 Randbedingungen (natürlich auch in Differenzenschreibweise)
formuliert werden können.
Beispiel
Die skizzierte rotationssymmetrisch belastet und
gelagerte Kreisringplatte ist am Innenrand starr eingespannt
und am Außenrand frei. Sie trägt die konstante Flächenlast
p0. Zu berechnen sind
die Durchbiegung
w(r) und die
Schnittgrößenverläufe
mr(r) und
qr(r).
Gegeben: ri = 1000 mm ;
ra = 3000 mm ;
t = 30 mm ;
p0 = 0,004 N/mm2 ;
E = 2,1·105 N/mm2 ;
ν = 0,3 .
Der Bereich
ri ≤ r ≤ ra
wird in nA Abschnitte der Breite
h = (ra−ri)/nA
unterteilt. Es entstehen nA+1 "Innenpunkte".
Außerdem werden beim Aufschreiben der Differenzengleichung für alle diese
Punkte noch 4 "Außenpunkte" benötigt. Die insgesamt
n = nA+5
Punkte werden wie nebenstehend skizziert von 1 bis
n nummeriert.
Für die Punkte 3 bis n−2 werden die
Differenzengleichungen aufgeschrieben
(ri
ist der Radius bis zum jeweiligen Punkt i):
Am Innenrand (Punkt 3) sind die Verschiebung und ihre 1. Ableitung (horizontale
Tangente an der Einspannung) gleich Null:
Am Außenrand (freier Rand bei
r =
ra)
müssen Biegemoment und Querkraft verschwinden. Auch diese Bedingungen
werden am Punkt
n−2 als
Differenzengleichungen formuliert:
Damit ist ein lineares Gleichungssystem mit
n Gleichungen für die
n
Unbekannten
wi gegeben.
Das nachfolgend gelistete Matlab-Script baut das Gleichungssystem
auf, löst es und wertet die Ergebnisse aus:
% Kreisringplatte, konstante Flaechenlast, am Innenrand eingespannt
clear all
ri = 1000 ;
ra = 3000 ;
t = 30 ;
E = 2.1e5 ;
ny = 0.3 ;
p0 = 0.004 ;
K = E*t^3/(12*(1-ny^2)) ;
nA = 1000 ; % Anzahl der Abschnitte
n = nA + 5 ; % Anzahl der Gleichungen
h = (ra-ri)/nA ; % Schrittweite
A = zeros (n,7) ; % Rechteckmatrix fuer Aufnahme der Bandmatrix
b = zeros (n,1) ; % Nullvektor ("rechte Seite")
pi = zeros (n,1) ; % Flaechenlastintensitaeten an Stuetzpunkten
r = zeros (n,1) ; % Radien bis zu Stuetzpunkte
iLinks = 3 ; % Nummern der Randpunkte
iRechts = n - 2 ;
pi(1:n) = p0 ; % Belastung
r(iLinks:iRechts) = ri:h:ra ; % Radien
%Randbedingungen:
A(1:2,:) = [0 0 0 0 0 1 0 ;
0 0 0 -1 0 1 0 ] ; % Starr eingespannter Rand links und freier Rand rechts
A(n-1:n,:) = [ -0.5 1+h/ra+h^2/(2*ra^2) -2*h/ra -1+h/ra-h^2/(2*ra^2) 0.5 0 0 ;
1-ny*h/(2*ra) -2 1+ny*h/(2*ra) 0 0 0 0 ] ;
for i = 3:n-2 % Matrix A:
hdr = h/r(i) ;
A(i,:)= [0 1-hdr -4+2*hdr-hdr^2-0.5*hdr^3 6+2*hdr^2 -4-2*hdr-hdr^2+0.5*hdr^3 1+hdr 0] ;
b(i) = pi(i)*h^4/K ; % Standardgleichungen
end
w = gabamp (A , b) ; % Berechnung der Durchsenkung
clf; % Graphische Ausgabe der Biegelinie:
subplot (3,1,1) ; plot (r(3:n-2) , w(3:n-2)) , axis ij , grid on , title ('w(r)') , xlim([0 ra])
for i=3:n-2
hdr = h/r(i) ;
mr(i) = -K*((1-0.5*ny*hdr)*w(i-1) - 2*w(i) + (1+0.5*ny*hdr)*w(i+1))/h^2 ; % Biegemoment
qr(i) = -K*(-0.5*w(i-2) + (1+hdr+0.5*hdr^2)*w(i-1) - 2*hdr*w(i) + ...
(-1+hdr-0.5*hdr^2)*w(i+1) + 0.5*w(i+2))/h^3 ; % Querkraft
end
subplot (3,1,2) ; plot (r(3:n-2) , mr(3:n-2)) , grid on , title ('m_r(r)') , xlim([0 ra])
subplot (3,1,3) ; plot (r(3:n-2) , qr(3:n-2)) , grid on , title ('q_r(r)') , xlim([0 ra])
disp(['Maximale Durchbiegung: w_max = ', num2str(max(w))]) ;
disp(['Maximales Biegemoment: mr_max = ', num2str(max(abs(mr)))]) ;
disp(['Maximale Querkraft: qr_max = ', num2str(max(abs(qr)))]) ;
Die Koeffizientenmatrix des Gleichungssystems wird im Matlab-Script
als
kompakt gespeichert. Für die Lösung linearer Gleichungssysteme
mit dieser Speichervariante steht das Script
gabamp.m zur Verfügung.
Nebenstehend sieht man die Verläufe der Funktionen
w(r),
mr(r) und
qr(r),
die vom Matlab-Script gezeichnet wurden. In das
Command Window wurden die jeweiligen Maximalwerte
geschrieben:
Verifizieren der Ergebnisse
Weil der Integrationsbereich in nA = 1000
Abschnitte (und damit sehr fein) unterteilt wurde, sind sehr gute
Näherungen zu erwarten. Mit folgenden Überlegungen können die Ergebnisse
bestätigt werden:
- Qualitativ: Die graphischen Darstellungen entsprechen den
Erwartungen. Die Verformung zeigt die Nullverschiebung und
die horizontale Tangente an der Einspannstelle, Biegemomentenverlauf
und Querkraftverlauf enden beim Wert Null am freien Rand.
Aber es sind auch quantitative Kontrollen möglich:
- Die Last p0 wirkt auf einer
Kreisringfläche, so dass ihre Resultierende berechnet werden kann.
Diese Kraft muss mit der Querkraft an der Einspannung,
die auf einem Kreis mit dem Radius
ri wirkt, im Gleichgewicht sein:
Das Gleichgewicht in vertikaler Richtung ist erfüllt.
- Die Absenkung am Außenrand kann mit der Absenkung am Rand
des eingespannten Biegeträgers mit konstanter Linienlast
verglichen werden (nebenstehende Skizze). Man kann sich den
Träger als schmalen Streifen vorstellen, der aus der
Platte herausgeschnitten wurde, z. B. mit der Breite
b = 1 mm und der Länge
l = ra −ri = 2000 mm. Dann hat die
konstante Linienlast die Intensität
q0 = p0·1 mm = 0,004 N/mm.
Der Querschnitt des Trägers ist ein Rechteck mit der Breite
b = 1 mm und der Höhe
t = 30 mm, das für die
Verformungsberechnung benötigte Flächenträgheitsmoment
berechnet sich nach
I = bt3/12 (siehe
Kapitel "Biegung"). Die Formel für die Absenkung des Trägerendes
findet man z. B. im Kapitel "Verformungen durch Biegemomente",
und man berechnet:
Das Ergebnis liegt sehr nah bei dem Wert, der für die Kreisringplatte
ermittelt wurde, und auch die Tendenz stimmt: Weil sich bei der Kreisringplatte
die Querdehnung nicht (wie beim Biegeträger) frei ausbilden kann,
ist die Platte steifer als der Biegeträger (das ist auch der
Grund dafür, dass es bei der Kreisringplatte noch ein zweites
Biegemoment gibt, worauf auf der Seite
"Rotationssymmetrische Kreis- und Kreisringplatten"
hingewiesen wird).
- Die beste Bestätigung findet man allerdings durch eine Rechnung mit
einem anderen Verfahren. Dieses Beispiel kann (die Differenzialgleichung der
rotationssymmetrischen Kreisplatte ist eine
Eulersche
Differenzialgleichung) auch noch (mit einiger Mühe) analytisch gelöst
werden. Man findet diese Lösung, die im Rahmen der Theorie
exakte Ergebnisse liefert, auf der Seite
"Rotationssymmetrische Kreisringplatte, Beispiel".
Der hier mit dem Differenzenverfahren ermittelte
Maximalwert für
w(r)
weicht vom exakten Wert
um weniger als 0,23% ab, die
Abweichungen der Maximalwerte für
mr(r) und
qr(r)
sind noch deutlich kleiner.